Ehre-Freiheit-Vaterland

Die Entstehung der Burschenschaften beginnt in der Spätphase der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich. Das Wesen dieser Kriege, bzw. der an ihnen beteiligten Truppen, unterschied sich nachhaltig von demjenigen des vorangegangenen 18. Jahrhunderts. Hatte es sich dort bei den Beteiligten um reine Berufsarmeen gehandelt, die ausschließlich dem jeweiligen Landesfürsten verpflichtet waren, wurde der Befreiungskampf jetzt von Volksheeren getragen. Diese setzten sich zu großen Teilen aus Freiwilligen zusammen, zu denen auch zahlreiche Studenten gehörten.

Aus dieser aktiven Teilnahme der Studentenschaft an der militärischen Befreiung erwuchs ihr das Bewußtsein, daß auch für die Gestaltung einer neuen staatlichen Ordnung nach dem Kriege die tätige Mitwirkung der akademischen Jugend notwendig sei. So bildete sich die Burschenschaft als ein, auf das politische Handeln hin ausgerichteter, Zusammenschluss deutscher Studenten. 

Diese nach wie vor gültige Ausrichtung der Burschenschaft auf das Politische versteht sich nicht als Verpflichtung an eine spezifische und verbindliche Ideologie oder Partei; ebenso wenig jedoch handelt es sich um eine nur allgemeine Orientierung auf den Bereich des Politischen.

Burschenschaftliches Politikverständnis wird deutlich anhand dreier Grundforderungen, die maßgeblich für das weltanschauliche Denken und das aus ihm schöpfende Handeln sein sollten. Es sind die Begriffe „Ehre - Freiheit - Vaterland“.

JEDEM ZU RECHT
NIEMANDES KNECHT
DEM SCHWACHEN SCHUTZ
DEM STARKEN TRUTZ
DIE HAND DEM FREUND
DIE FAUST DEM FEIND
SO WIRDS HIER GEHALTEN
GOTT MÖG ES WALTEN.

Ehre

Im burschenschaftlichen Denken stellt der Begriff der Ehre den zentralen Wert für die Grundlagen des gesellschaftlichen Miteinanders dar. Ehre bezeichnet dabei die einem Anderen von vornherein entgegengebrachte Achtung bzw. das grundsätzliche Ansehen einer jedweden Person. Die Anerkennung der Ehre eines Menschen übersteigt dabei die Verwirklichung eines bloß formal empfundenen Gleichheitsbegriffes, da jene sich auch auf den inneren Wert einer Person bezieht, dieser jedoch im Äußerlichen verharrt.

Als Ehrgefühl bezeichnet man die natürliche Veranlagung des Menschen, denjenigen Werten gerecht zu werden, die in der gesellschaftlichen Auffassung mit der ihm entgegengebrachten Ehre verbunden sind. Hier zeigt sich der bereits zuvor angesprochene Charakter der Ehre, in der äußerlicher und innerlicher Bezug untrennbar vereint sind.

Ehrerweisungen durch Mitmenschen und das eigene Ehrgefühl verursachen beim Einzelnen die Verpflichtung zu einem wertorientierten Leben in allen Bereichen des menschlichen Daseins. Das Bewußtsein der eigenen Ehre und ein mit diesem in Einklang stehendes Handeln bedeutet zudem für das Individuum die Erkenntnis des eigenen, in sich ruhenden Wertes. An dieser Stelle zeigt sich die Ehre mit der Freiheit und der Verantwortlichkeit des Handelns auf engste verknüpft und ist Grundlage für den Maßstab, an dem sich beide angleichen können. Die Ehre zählt zu den höchsten Gütern eines jeden Menschen, und gemäß den zuvor erkannten Merkmalen ist sie zugleich Antrieb, Halt und Voraussetzung für das Wirken des Einzelnen in der menschlichen Gesellschaft.

Die Burschenschaft erachtet die Bedeutung der Ehre für den Zusammenhalt in Volk und Gemeinschaft als maßgeblich. Die Wirklichkeit beweist in dieser Hinsicht die Überlegenheit der Ehre gegenüber rein formalen bzw. rechtlichen Einrichtungen. Aus diesem Grunde setzt sich die Burschenschaft für die Bewahrung und Förderung des Ehrbegriffs in der Gesellschaft, sowie für den Schutz der Ehre des Einzelnen ein. 

Freiheit

Mit den Napoleonischen Kriegen fand ein geschichtlicher Abschnitt sein vorläufiges Ende, der ein Vierteljahrhundert zuvor mit der Französischen Revolution begonnen hatte. Unter den Schlüsselbegriffen, welche die Ziele der Revolutionäre kennzeichneten, war es vor allem der Grundwert der Freiheit, der in der Folgezeit das politische Denken in ganz Europa beherrschte.

Dem Bewußtsein der ersten Burschenschafter jedoch galten Freiheitsideale und die damit verbundene Forderung nach Freiheitsrechten keinesfalls als sich erstmalig bekundende Neuigkeiten; vielmehr betrachteten sie Freiheit als alten, grundlegenden Wert deutscher Volkskultur, der seit dem Ausgang des Mittelalters mehr und mehr an Kraft und Wirkung verloren hatte, und der nun zu neuer Geltung gebracht werden sollte.

Einer Charakterisierung der sich entwickelnden burschenschaftlichen Freiheitsauffassung muß eine Begriffserläuterung in einem weiteren Sinne vorangehen.

Freiheit im allgemeinen läßt sich beschreiben, als die Abwesenheit äußerer Zwänge und Bindungen. Daraus ergibt sich für den Einzelnen die Freiheit als ein Naturrecht, welches es dem Willen ermöglicht, in Wort oder Tat Niederschlag zu finden; begrenzt nur dort, wo die Freiheitsrechte eines anderen beginnen.

Ferner ist der Begriff der Freiheit nicht nur anzuwenden auf Einzelpersonen, sondern betrifft in gleichem Maße gesellschaftliche Zusammenschlüsse bis hin zu Nationen und Staaten.

Das burschenschaftlich Freiheitsverständnis geht nun über die genannten Gesichtspunkte des Freiheitsbegriffes hinaus, wobei die angesprochenen Kennzeichen lediglich als die Grundlagen gelten, aus denen sich Freiheit entwickeln kann. Das Fehlen von Zwängen allein ist noch keine Freiheit; wirkliche Freiheit erwächst erst aus der tätigen Umsetzung der dadurch gegebenen Möglichkeiten, also in aktiven Handeln. Somit beinhaltet der burschenschaftliche Freiheitsbegriff auch eine Verpflichtung, nämlich die zu einem von verantwortlichem und verantwortungsbewußten politischen Handeln geprägten Leben.

Vaterland

So wie Ehre und Freiheit Werte darstellen, die ihren Ausgangspunkt im Bewußtsein der Einzelperson nehmen, sind sie andererseits nur in Zusammenhang mit dem Leben in einem Gemeinwesen denkbar. Die Umsetzung der Ideale Ehre und Freiheit in die Wirklichkeit bedarf eines klar umrissenen Rahmens, innerhalb dessen ihre Gültigkeit durchgesetzt und bewahrt werden kann. Die Erfahrungswelt zeigt, daß ein wertorientiertes gesellschaftliches Leben sich dort am nachhaltigsten in die Tat umsetzen läßt, wo bereits eine grundlegende Bindung der Gesellschaftsmitglieder durch gemeinsame Sprache, Geschichte, Kultur und Herkunft vorhanden ist. Insbesondere das Freiheitsideal lässt sich nur innerhalb des politischen Organisationsmodells der Nation verwirklichen. Dieser enge Bezug von Freiheitsideal und Vaterlandsbegriff ist grundlegend für das burschenschaftliche Denken.

Ähnlich dem rein individualistisch geprägten Freiheitsbegriff der französischen Revolution, galt auch deren Ideal des Weltbürgertums den ersten Burschenschaftern als eine fremde Idee, die sich im Tross der napoleonischen Heere in Deutschland Eintritt verschafft hatte. In dieser geschichtlichen Situation entstand ein burschenschaftlicher Vaterlandsbegriff, der auf dem mitteleuropäischen Konzept der volkstumsbezogenen Kulturnation gegründete. Unter Kulturnation ist dabei eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft von Menschen mit dem Bewußtsein gleicher politisch-kultureller Vergangenheit bzw. Herkunft zu verstehen. Abgelehnt wurde dagegen der westlich, d.h. französische und später auch der angloamerikanische Entwurf einer Willensnation, in die der Einzelnen nach Belieben ein- bzw. wieder austreten kann. Diese begrifflichen Grundlagen bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklungsgeschichte der burschenschaftlichen Auffassung des Vaterlandsbegriffs.

Die Burschenschaft bekennt sich zur deutschen Geschichte und Kulturnation und tritt ein für die Förderung des Nationalbewußtseins und die Bewahrung der Eigenständigkeit und Erneuerung der deutschen Kultur.

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